Dienstag, 28. Februar 2012

Eine philosophisch-verträumte Temperamentenlehre zwischen Ernüchterung und Weltwiedererwärmung

[Re-Enrty vom 22.06.11]
Kunst und Theorie nach der Abklärung I 

(Quelle: Flickr - Dominic´s Pics, CC BY 2.0)
Das Licht der Aufklärung war immer schon ein Licht von verhältnismäßig niedriger Temperatur. Ihr Versprechen war nie das einer klimatischen Restauration der Welt, ihr Genuss und Eifer nie mehr als die Begleiterinnen des guten Gewissens, die falschen fremderzeugten Schattenbilder durch potentere Selbst-Innenbeleuchtung zu vertreiben. Aber die hellste Beleuchtung ist - wie man weiß - nicht immer auch die angenehmste. Und so sind bei näherer Betrachtung Aufklärung und Ernüchterung, Auf- und Abklärung zwei Seiten derselben, eifrig ent-eifernden Bewegung, die gleichermaßen Mut zur Kälte und Mut zur Selbstüberschätzung von ihren Adepten einforderte.

Das Licht der Aufklärung - das in Dunkelheiten nur zu orientieren vermag, sofern die Welträume, die es ausleuchtet, überhaupt ausreichend widerständige Strukturen bereitstellen, um noch von "Orientierung" im positiven Sinn zu sprechen - ist ein nüchternes Licht, Neonlicht. Und wenn es überhaupt ein Licht für Menschenhände und Menschenaugen ist, bleibt ihm doch die Motivation für konkrete Ziele und Richtungen gänzlich fremd: Der Eifer der Aufklärung und ihrer Aufklärer kennt sich zwar selbst als engagierendes Ziel, aber was "nach" der Aufklärung kommen soll, lässt sich aus diesem Eifer nicht noch einmal eigens motivieren...
Und so wird, wenn sich die Nebel der alltäglichen Ablenkungen und der bewusstlos machenden Engagements durch Wach-Macher oder aufrüttelnde Störkommunikationen einmal für Augenblicke lichten, auch erkennbar, dass selbst die beste Orientierung ohne eigenes Ziel und eigene Richtung allenfalls für den Beruf des epistemologischen Fremdenführers qualifiziert, der bisher "unterbelichtete" Leben durch zerklüftete Begriffslandschaften führt wie durch einen abstrakten Zoo.
Ich lebe in einer City, das Neonlicht belebt mich, ich bin an mich gebunden, also an einen Menschen gebunden, an seine heutige Stunde bin ich gebunden.
Daher sinkt auch die DenkerIn mit der Neonlampe -- nachdem sie ihren alltäglichen Gang über den Marktplatz hinter sich gebracht hat -- zuhause wieder in ihre eigene, abstrakte Depression zurück, sofern sie nicht auch da bereits weitere Engagements zum Weitermachen verpflichten.
Selbst der Gelehrte kehrt, wenn er seinen Arbeitsplatz verläßt, zu primitiven Wertgebungen zurück.
(Gaston Bachelard)
Vom Denken allein führt kein Weg ins engagierte Leben (zurück): Nach der Aufklärung stehen ihm -- anders, als vielleicht erhofft -- keine "anderen Überzeugungskräfte als Wärme und Enthusiamus, [also] Beweise, die keine Flammen wären" zur Selbst- und Fremdmotivation zur Verfügung. Das bloße Unterscheiden und Analysieren kennt keine Präferenz. Und wenn alles Leben "Kampf um Geschmack und Schmecken" ist, so ist die Ausbildung des Geschmacks keine Aufgabe des analytisch-differenzierenden Denkens und auch keine Aufgabe für diejenigen, denen ihr Leben schon von vornherein nicht geschmeckt hat, sondern eine für all diejenigen, die sich (man möchte sagen: noch) auf die Erzeugung von Faszination und auf das Staunen verstehen.

[Zelda Zonk]

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