Donnerstag, 5. September 2013

Wenn der Wiedereinstieg scheitert - Peter Fuchs beim Ontologisieren erwischt

Bei der Lektüre von Das Weltbildhaus und die Siebensachen der Moderne:

(2bib.de; CC BY-ND 2.0)
Gerade eben noch mit Peter Fuchs im immer irgendwie abschüssigen Gelände der Theorie unterwegs gewesen. Über Stock und Stein sozusagen, an leckeren Gerüchen entlang mitten hinein in die feine "Steak-Welt" (S.28), so schnell es geht vorbei an der "Peinlichkeitsvermeidungswelt" (ebd.), bis ganz hinten oben eben endlich: zum sich selbst genießenden Beobachter der ganzen Operation, ausgestattet mit dem minimalen Kränkungsvorsprung der Vorwegnahme der Beobachtung der Anderen (und den wie so einen schönen, farbigen Theorielatz um den Hals gebunden): Theoriespeisezeit! 

Der Aufstieg wirklich angenehm: versierter Fuchswegweiser, Fuchspfadfinder allenthalben sehr orientiert. Wie das ist mit dem problematischen ontologischen Beobachten und auch, dass es die Möglichkeit der dritten Möglichkeit stets mitzuberücksichtigen gilt. "Tertium datur" - Beobachten! Also zum Beispiel [aufgrund vorhergehender Lektüren erfolgt hier eine #Ironiemarkierung]: Nicht nur Tee oder Kaffee, sondern vielleicht auch Mineralwasser. Obwohl einem ja auch da wieder die Frage einfällt, was denn auf einmal los wäre, wenn es wirklich immer nur noch [und nicht nur in Wahrheitsfragen!] binäre Optionen gäbe, also wirklich nirgendwo Drittes mehr zur Wahl stünde. [Wie hier zum Beispiel bei einer diesjährigen "Konferenz für vernetztes Denken und Komplexitätsmanagement" ein Programmpunkt gleich am ersten Tag um 11:15 Uhr "Tee-/Kaffeepause für Kommunikation oder Ruhe" - Tertium really non datur!] Das wäre ja schon fast wieder eine wirklich interessante Position: Alle Unterscheidung ist ernsthaft immer nur binär. Sahne oder keine Sahne. Jetzt sofort aufstehen oder den ganzen Tag weiterschlafen.

Auf dem Nachhauseweg entglitt Fuchs dann aber leider irgendwas irgendwie beim Wiedereinstieg [#re-entry]. (Der Wiederausstieg wurde uns durch dieses Ereignis dann allerdings sehr erleichtert...) Folgende kleine Beobachtungsanekdote also, Peter Fuchs: 
"Kürzlich im Zug nach Hamburg höre ich, wie - in neuerdings immer so fröhlicher Intonation - aus dem Lautsprecher folgender Satz erklingt: "Wir erreichen in Kürze Hamburg Hauptbahnhof. Der Zug endet hier." Ich wandte mich als verantwortungsbewußter Bürger an den Schaffner, oder sagt man jetzt Zugteamer? Na egal, ich sagte zu ihm, ein Zug könne nicht enden. Wenn er das könnte wäre das ein metaphysischer Ereignis par excellence. Man könne allenfalls sagen: Die Zugfahrt ende in Hamburg, oder noch besser: Die Endstation sei erreicht. Der Mann wehrte heftigst ab. "Der Zug endet hier, fertig!" Er ließ sich, sehr rot im Gesicht, auf keine weiteren Diskussionen ein. Folglich enden nach wie vor Züge in Hamburg. Der Schaffner (oder Teamer oder Zugbetreuer) war eindeutig ein T[ertium]N[on]D[atur]-Beobachter [...]." (S.59)
Mit dieser kleinen Ontologisierung der Grammatik ("So oder so kann man sagen, anders aber eben nicht!" - Fuchs als TND-Beobachter, ganz eindeutig!) erreichten wir also wieder wohlbehalten Hamburg, obwohl es hierzu wohl auch bezeichnend andere aktualisierbare Unterscheidungen gegeben hätte. So zum Beispiel: 

Beobachte lieber oszillierend irgendwie!

      

3 Kommentare:

  1. "Zug" kann auch etwas Bedeuten wie das englische "Trek", siehe Bedeutung 2:
    http://www.duden.de/rechtschreibung/Zug_Wagenreihe_Kolonne_Kraft

    Möglicherweise hat sich die "ontologische" Bedeutung 1 sogar aus der "prozessualen" Bedeutung 2 entwickelt.

    Übrigens bedeutet "Tertium non datur" auf Tee bezogen "Tee oder kein Tee", nicht aber "Tee oder Kaffee". Sowohl Kaffee als auch Mineralwasser sind kein Tee, die Alternativen passen also zum Tertium non datur.

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    1. Ein bisschen so habe ich mir das mit dem Zug auch vorgestellt: Ein Zug im Sprachspiel, der Zug der Dame endet hier: "Spielen Sie auch Schach?"

      Was das Tertium betrifft: Genau. Bewegte sich eher in Richtung Kalauer. Deshalb: "Sahne oder keine Sahne". Ich meinte irgendwo bei Luhmann mal das Kaffee oder Tee Beispiel gelesen zu haben. War aber auf die Schnelle leider nicht mehr im Originalkontext aufzutreiben.

      Allerdings dann doch irritierend: Auch bei Fuchs markiert die Rede von Unterscheidung nicht immer binäre Optionen, obwohl das immer mal wieder suggeriert zu werden scheint. (Vielleicht aber auch nur unaufmerksame Lektüre des Beobachters..)

      "Es gibt keine weitere Möglichkeit als: die Glühbirne brennt oder nicht (die Mensa ist ein Koch- und Eßort, aber keine Sexanbietungsstelle)." (S.26)

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    2. Ahso, aber was ich gerade erst sehe: das war ja hoffentlich klar, dass der Fuchs hier nicht affirmativ zitiert war? Ontologisierung der Grammatik meint ja: Re-Entry scheitert, Sprache wird hier von Fuchs ontologisiert undsoweiter.

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